SZ: Krisen, Affären, Trennungen

Süddeutsche Zeitung vom 4. März 2014:

Die Wellküren, seit 28 Jahren auf den Kabarettbühnen unterwegs, haben sich mit “Herz sticht” wieder Zeit für ein neues Programm genommen. Möglich wurde es, weil Kinder und Männer jetzt aus dem Haus sind

VON OLIVER HOCHKEPPEL

“Fein sein, beinander bleibn” hieß der letzte Streich der Wellüren, ein gemeinsam mit den Brüdern Stofferl, Karl und Michael Well unter der Regie von Franz Wittenbrink an den Kammerspielen 2012 uraufgeführtes Familienstück. Den Brüdern von der Biermösl Blosn wollte just damals, 2012, nach 35 gemeinsamen Bühnenjahren das Beinander bleibn (und ein wenig auch das Fein sein) nicht mehr gelingen. Die drei Wellküren Moni, Burgi und Bärbi – die 2005 ihre Schwester Vroni ablöste – aber kultivieren beider im mittlerweile 28. Jahr ihres Bestehens ungebrochen.

“Mir an sehr privilegiert, mit unserem Hobby Geld zu verdienen” sagte die Moni vor zehn Jahren in einem SZ-Interview. Da spürten alle die Doppelbelastung als Hausfrau und Kabarettistin, weswegen die Moni ankündigte: “Premieren gibt’s keine mehr, des packen wirnervlich nimmer. Wir bauen nur immer wieder was Neues ein.” Inzwischen aber die Kinder aus dem Haus, “und die Männer auch abhanden gekommen”, da ist aus dem Hobby doch noch ein richtiger Beruf geworden. Und so gibt es jetzt ein neuen Programm mit – nach einigen Vorstellungen auf dem Land zum Ausprobieren – einer echten Premiere am nächsten Mittwoch. 5. März, in der nicht gerade kleinen Alten Kongresshalle in München.

“Mir san sicher weniger politisch, als es unsere Brüder waren”, sagt die Moni”

“Herz sticht” heißt der Abend, der natürlich musikalisch-kabarettistisch im Zweierschritt fortspinnt, was allen Wells schon immer ein Anliegen war: Einerseits gegen das pappige Pseudo-Bajuwarentum zu streiten und Attacken gegen den Ausverkauf der Heimat, gegen die Sünden der Politik oder gegen die Albernheiten der Zeitgeistritter zu reiten, also das Ursprüngliche und Wertvolle vor dem Türmenden zu bewahren. Und dabei eben andererseits die authentische Volksmusik und die echte Volkskultur wiederzuentdecken oder zu bewahren – was nicht weniger lustig sein muss.

Dabei war die weibliche Perspektive immer das Spezifikum der Wellküren: “Mir san sicher weniger politisch, als es unsere Brüder waren, uns beschäftigen andere Themen”, bestätigt die Moni. Wie der Titel schon verrät, geht es auch emotionaler zu, wo man doch “die Bayern nicht über das Hirn erreicht – mit Fakten, Argumenten und Wissen ist kein Staat zu machen”, wie die drei ironisch im Programmtext schreiben. Vieles dreht sich deshalb um Krisen, Affären und Trennungen, happy Undings sind eher selten, wenn etwa Burgi bei “Ich bin ein guter Verlierer” von der Halskette bis zur Unschuld besingt, was ihr schon alles im Leben abhanden gekommen ist. Dass “Herz sticht” auch stechendes Herz bedeuten kann, verdeutlichen Exkursionen zum Geschlechterkampf, wo es zum Beispiel um die “hormonelle Demenz” alter Ehemänner geht oder bei “Ich tat es nur aus Liebe” gleich blutig ausgeht. Auf der anderen Seite kriegt auch Helene Fischer ihr Fett ab.

All das selbstredend wieder musikalisch opulent verpackt, das schwere Blech samt Nonnentrompeten kommt ebenso zum Einsatz wie der ganze Kanon traditioneller bayerischer Instrumente. Wer volksmusikalisch amtliche, gehobene Unterhaltung mit Haltung mag: Die Herz-Trümpfe der Wellküren stechen.

 

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