Ironie hilft, Herz sticht!

Süddeutsche Zeitung vom 7. März 2014

Die Wellküren mit “Herz sticht” in der Alten Kongresshalle

München – Keiner kann Stubenmusik so schön herunter rotzen wie die Wellküren. Egal ob an Gitarre, Harfe, Hackbrett oder Blech: sie ziehen die Melodien wie Kaugummi, blöken manche schrägen Akkorde so frech heraus, dass man sich an Kinderblockflötenensemble beim Krippenspiel erinnert fühlt. Traditionen leben und lieben, sie aber gleichzeitig schamlos auf die Schippe nehmen – die Mischung ist typisch für die Volksmusik-Familie Well.

Nun haben die Well-Schwestern in der Alten Kongresshalle mit “Herz sticht” ihr neues Programm vorgestellt. Nach 28 Jahren auf der Bühne sind die Haare grau, die Falten mehr geworden. Aber als Gesamtpaket strahlen sie noch immer eine übermütige Frauenpower aus, die beinahe pubertäre Züge hat. Die dauerplappernde Moni etwa drischt auf ihr Hackbrett ein, bis es raucht. Ihre Schwester Burgi wirkt harmloser, hat es aber faustdick hinter den Ohren. Und wer die Mischung aus Unschuldsmiene und Flirtblick so perfektioniert hat wie Bärbi, die selbsternannte “Bavarian Sexmachine”, der sollte eh nicht unterschätzt werden.

In “Herz sticht” bekommen vor allem die Männer ihr Fett weg. So brav die Mädels auch ausschauen im roten, blauen und grünen Dirndl: in den Texten nehmen sie kein Blatt vor dem Mund und piksen treffsicher mit der Nadel in den Wunden: “Er is fast blind, doch was er siehgt, san junge Weiberhaxen. Der Urologe sagt, da brennt’s, hormonelle Demenz!” mit fröhlichen Landler-Melodien unterlegt, bekommt der Text einen besonderen Beigeschmack. Ironie ist ohnehin das Patentrezept. Ob in “Ich bin ein guter Verlierer” oder “Herz sticht” – die Lieder handeln vom Älterwerden, von Irrtümern, Missgeschicken und Schicksalsschlägen. In bairischer Mundart und bissigen Humor verpackt ist das aber lustig. Was auch kommt, bleibt selbstbewusst und nehmt’s mit Humor. Das ist die Botschaft, wenn sie singen: “Wir steh’n gelassen da im gold’nen Herbstlicht und wir genießen’s Leben, weil am Ende Herz sticht.”

THILO BRAUN

 

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